Seit über 30 Jahren wohne ich in einem ländlich geprägten Stadtteil einer fränkischen Kleinstadt. Die Nachbarschaft ist nett und friedfertig. Sie begleitete das Großwerden meiner Kinder, nahm Anteil am Verlust aller Haustiere und nahm alle neuen oder alten Autos meiner Familie zur Kenntnis. Wir werden zusammen älter, manch einer ist schon verstorben oder altersbedingt umgezogen. In diese frei gewordenen Häuser/Wohnungen ziehen Jüngere ein, so entsteht ein natürlicher Wandel meiner Nachbarschaft.
Im letzten Jahr erkrankte mein Mann schwer und verstarb unerwartet schnell. Wie schwer dieser Verlust für mich und meine Familie ist muss ich nicht erwähnen. Wie die Nachbarschaft reagiert aber schon. Das nicht zu erwartende Ereignis schockierte meine Nachbarschaft und die Anteilnahme war groß. Es dauerte nicht lange und es kursierten haarsträubende Geschichten über die Umstände des Todes meines Mannes (über die ich nie gesprochen habe!) Auch über einen eventuellen Hausverkauf meinerseits wurde schnell spekuliert. Das konnte unverzüglich stoppen, denn bei jeder Gelegenheit tat ich kund – ich bleibe! Danach wurde meine körperliche Einschränkung als Argument gezogen: „Sie könntn´s sich schänner mach´n. Warum gängas ned ins Bedreude Wohna? Odder zäings zu ihre Kindä!“[1]
(Das ist ein Thema, da sehe ich rot! Alle Welt denkt noch immer, Kinder müssen sich um ihre Eltern kümmern. Meine Kinder wollen sich um mich kümmern und tun das bei Bedarf und nach den Möglichkeiten, die sich mit Vollzeitjobs und den Verpflichtungen durch eigene Lebensumstände ergeben. Das will ich hier erwähnt haben.)
Nach ca. einem halben Jahr war ich wieder zu rationalem Denken fähig. Ich ließ einen Plattformlift am Hauseingang installieren, nun kann ich mit Rollator oder Rollstuhl bequem und sicher außer Haus. Das war für die Nachbarschaft ein sicheres Zeichen – ich bleibe hier.
Mittlerweile ist wieder Normalität in der Nachbarschaft eingekehrt. Es haben sich auch einige vormals lose Kontakte vertieft und verfestigt. Das bereichert uns gegenseitig.
Dann sind da noch Nachbarn, zu denen der gewohnt unverbindliche Kontakt erhalten bleibt: „Mei, wäi di Zeid vergäiht! Etz is des scho widdä fassd a Joar här mid ihr´m Moo. Dou wenni haid nu droo denk – des wor fei a Schogg, des koo iich eigendli haid nonni glaam.“[2]
Geht mir genauso.
[1] Übersetzung der Redaktion: Sie könnten es sich schöner machen. Warum gehen Sie nicht ins betreute Wohnen? Oder ziehen Sie zu Ihren Kindern!
[2] Übersetzung der Redaktion: Herrje, wie die Zeit vergeht! Jetzt ist das schon wieder fast ein Jahr her mit Ihrem Mann. Da wenn ich heute noch dran denke – das war vielleicht ein Schock, das kann ich eigentlich heute noch nicht glauben.