Bild: Ankh

Weihnachten und die Modelleisenbahn – 1956

Der Schnee knirschte unter Uwes kleinen Stiefeln, als er mit seiner Mutter den Heimweg antrat. Es war der Nachmittag vor Heiligabend, und die Vorfreude hing wie der Duft von Zimt und Tannennadeln in der Luft. Uwes Gedanken kreisten nur um eines: Was würde das Christkind dieses Jahr für seine Modelleisenbahn bringen?

Die Eisenbahn war für Uwe nicht nur ein Spielzeug, sie war ein kleines Stück der Welt seines Vaters. Uwes Vater, der stolz als Lokomotivführer auf einer mächtigen Dampflok fuhr, hatte ihm unzählige Geschichten aus dem Führerstand erzählt. Von glühenden Kohlen, leuchtenden Signalen und funkelnden Sternenhimmeln über den Bahngleisen. Die Modelleisenbahn war wie ein Fenster in diese Welt, eine Möglichkeit, diese Magie selbst zu spüren.

Jedes Jahr an Weihnachten wurde sie für einige Wochen aus dem Schrank geholt und mit viel Sorgfalt aufgebaut. Die Schienen legte Uwe zusammen mit seinem Vater, während seine Mutter den Baum schmückte. „Ein bisschen Geduld, mein Junge“, hatte sein Vater immer gesagt, wenn Uwe aufgeregt war. „Die schönsten Dinge im Leben brauchen Zeit.“

Am Abend war das Wohnzimmer in goldenes Licht gehüllt. Die Modelleisenbahn war bereits aufgebaut, aber noch fehlte das neue Geschenk des Christkindes. Uwe saß wartend und aufgeregt in der Küche, als endlich das Glöckchen erklang.
Unter den funkelnden Lichtern des Baumes fand er ein längliches Paket. Vorsichtig entfernte er das Papier und stieß einen Freudenschrei aus: Eine kleine, detailreiche Dampflok lag darin, schwarz glänzend und perfekt passend zu seiner Eisenbahn. Uwes Augen strahlten, als er sie vorsichtig auf die Schienen setzte.

Sein Vater, der in einem Sessel saß, lächelte. „Das ist eine Lok der Baureihe 01“, erklärte er leise. „So eine Lokomotive fahre ich auch. Jetzt kannst du sie auf deiner Strecke kreisen lassen.“
Uwe nickte eifrig und setzte die Dampflok in Bewegung. Das kleine Wunderwerk schnaufte über die Gleise, die Züge fuhren durch Tunnel und an Modell-Dörfern vorbei. Die ganze Familie sah zu, wie die kleine Bahn durch ihre eigene Weihnachtswelt dampfte.
Uwes Mutter legte eine Hand auf die Schulter ihres Mannes. „Schau nur, wie glücklich er ist“, flüsterte sie.

In diesem Moment, während die Lok ihre Runden zog, schien die ganze Welt in Ordnung zu sein. Für Uwe war es nicht nur ein Geschenk, sondern ein Stück der gemeinsamen Träume der kleinen Familie.
Der Abend klang aus, und Uwe schlief mit einem Lächeln ein. In seinen Träumen fuhr er mit der kleinen Dampflok durch weite Schneelandschaften – und ganz vorne im Führerhaus stand sein Vater, mit einem zufriedenen Blick in die Ferne.

Bild: Ankh

 

Über Ankh

Avatar-FotoHallo! Mein Name ist Ankh und ich bin nicht nur seit 17 Jahren ehrenamtlich für eine Selbsthilfegruppe tätig, sondern auch leidenschaftliche Autorin (im Moment vorrangig von gesundheitsbezogenen Themen), aber auch Malerin und Fotografin. In diesem Blog möchte ich nicht nur meine Erlebnisse teilen, sondern auch Sichtweisen, Beobachtungen und Erfahrungen weitergeben, die wir alle in unserem Leben machen dürfen. Geschichten über Menschen, Kulturen oder Traditionen zu erzählen, soll im besten Fall andere dazu inspirieren, ebenfalls offen für neue Erfahrungen zu sein.