Mein Weg in die Selbsthilfe, Teil 1.
Seit Tagen schleiche ich um das Telefon rum und kann mich nicht dazu durchringen. Was soll ich sagen? Wer ist da am anderen Ende der Leitung? Ist das wirklich eine gute Idee?
Dann mache ich es doch. Ich wähle die Nummer, die ich mir schon vor Monaten aus dem Internet herausgeschrieben habe. Es klingelt, einmal, zweimal. Ich könnte wieder auflegen. Bis der Gedanke zu Ende gedacht wurde, hebt jemand ab. Eine nette Frauenstimme meldet sich und fragt nach meinem Anliegen.
Ich bin nervös und schildere etwas umständlich, was ich möchte. Im Laufe des Gesprächs werde ich immer ruhiger und entspannter. Erzähle von mir, meinen Problemen und Ängsten. Wir kommen auf Selbsthilfegruppen zu sprechen, doch leider gibt es zu meinem Thema keine vor Ort. Ich bin etwas enttäuscht, erhalte aber das Angebot, dass ich gemeinsam mit Kiss eine neue Gruppe gründen könnte. Was das genau heißt, bekomme ich sofort erklärt und merke, dass es eigentlich ganz einfach geht. Von Kiss erhalte ich Unterstützung und sogar Begleitung bei den ersten Treffen, je nach Bedarf und wie es dann läuft.
Es ist nämlich so: Eine neue Gruppe gründen kann jede*r. Auf Wunsch ist Kiss eng an meiner Seite – bei der Suche nach Gleichgesinnten, nach dem passenden Raum, bei der Öffentlichkeitsarbeit, beim ersten Treffen, einfach bei allen Fragen, die dazu auftauchen. In erster Linie ist es nicht entscheidend, ob die Gruppe dauerhaft zustande kommt. Persönlich würde ich mir das natürlich wünschen, aber viel wichtiger ist es, dass sich Menschen zusammenfinden, um sich gegenseitig auf ihrem Weg zu begleiten. Mich auf meinem Weg zu begleiten. Im Bedarfsfall auch mal nur für eine kurze Zeit.
Von der Beraterin erfahre ich, wie viele Gruppen sich immer wieder neu gründen. Sie nennt nur ein paar Beispiele, die aktuell durch das Kiss-Team hier vor Ort begleitet werden: Borderline, Angehörige um Suizid, Eltern von AD(H)S-Kindern, Sklerodermie, Long Covid, Angehörige Suchtkranker, Vitiligo (ich musste erst googeln, was das eigentlich ist?), Jung & Allein, und und und… ich bin echt erstaunt, wie viele Menschen auf die Idee mit der Selbsthilfe kommen. Ich dachte immer, Selbsthilfegruppen sind nur was für… anonyme Alkoholiker? Weit gefehlt.
Wie auch immer: Das klingt gut und mutig sage ich zu!
Ich möchte zusammen mit Kiss eine Gruppe gründen!
Ich kann eigentlich nur gewinnen, oder?
Mein Anliegen ist so einfach: Ich will nicht mehr allein sein mit dem, was mich beschäftigt, ich will andere kennenlernen, die so in etwa wissen, wie es mir geht und was mich umtreibt.
Die mich verstehen.
Vielleicht bekomme ich auch noch ein paar Tipps oder treffe sogar Menschen, mit denen ich etwas zusammen unternehmen oder die ich unter der Zeit mal privat anrufen kann?
Bei diesen Gedanken merke ich plötzlich, wie ich mich auf den ersten Termin freue.
Und ich bin stolz auf mich selbst, weil ich doch endlich angerufen habe.
To be continued…